Freitag, 16. Oktober 2015

Bach Cellosuiten

Cellosuiten von Bach: Quintessenz der Cellomusik?

Auf Wikipedia zitiert der Autor zu den Cellosuiten von Johann Sebastian Bach den Meister Pau Casals: Sie seien die "Quintessenz von Bachs Gesamtwerk". Das mag man so stehen lassen, es spricht von großer Begeisterung. Übersetzen könnte man auch, die Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian seien die Quintessenz der Cellomusik. Tatsächlich verbringen erwachsene Cellisten jeden Tag mindestens mit einer der Suiten, besser mit mehreren von ihnen (wenn die Zeit zum Üben reicht). Schließlich steckt musikalisch alles drin, was zur Barockmusik und darüber hinaus gehört. Technisch betrachtet ist es recht schwierige Cellomusik, die sechste Suite - auf dem modernen Cello mit vier Saiten gespielt - ist so schwer wie ein großes Konzert von Haydn.

Cellomusik Repertoire: Einordnung der Bach-Suiten


Die Cello Solosuiten von Bach gehören nach Möglichkeit vollständig in das Repertoire eines Cellisten. Es gibt nur sehr wenige berühmte Stücke, die ein Cellist auf Anfrage immer und jederzeit vorspielen muss, die Bach-Suiten stehen auf dieser Liste ganz oben. Natürlich gibt es im Gesamtwerk von Bach berühmtere Stücke, etwa das Bach Air. Wer irgendwo mit dem Cello herumsitzt, muss gewärtig sein, dass ein freundlicher Mensch an ihn herantritt und spricht: "Könnten Sie das Präludium der 1. Suite von Bach spielen?" Es kann sich auch um das Präludium der 3. oder 5., ebenso um die Sarabande der 6. Suite handeln (die Gavotten der 6. sind noch grandioser, aber weniger bekannt). Im Laufe des Lebens lernt ein Cellist, dass jeder einzelne Satz dieser Suiten ein musikalisches Kleinod erster Güte ist. Gerade unbekannte Sätze haben Hit-Potenzial, so zum Beispiel die Allemande der 5. Suite (vor Publikum vielfach getestet). Fest steht: Wenn Menschen einfach mal so an Cellomusik denken, dann meinen sie meistens die Cello-Solosuiten von Bach.

Warum sind die Suiten so schön - und so schwere Cellomusik?


Der Cellist, der vielleicht auch schon einmal Straßenmusik und dabei täglich die Solosuiten von Bach gespielt hat (eine Saison lang), blickt dankbar zum Meister auf. Dieser hat ihm, dem kleinen, armen Cellisten, zweieinhalb Stunden Musik geschenkt, mit der man tatsächlich Geld auf der Straße verdienen kann. Alle lieben die Suiten, selbst die Kinder bleiben staunend stehen und kramen dann ein paar Münzen ihres Taschengeldes hervor. Doch die Suiten sind schwer, weil sie in jeder Lage des Cellos und in immerhin sechs Tonarten plus Nebentonarten viele, viele Töne und unzählige Mikro-Melodien enthalten, die alle interpretiert sein wollen. Bach hat das verwendet, was die Jazzmusiker seit dem späten 20. Jahrhundert als "Patterns" bezeichnen. Darüber hinaus darf niemand die große Linie vergessen, drittens ist diese Cellomusik hinsichtlich der Intonation und Bogenführung irrsinnig anspruchsvoll. Doch die Musikerausbildung verkennt seit dem frühen 20. Jahrhundert diese Schwierigkeit, weil sich im 19. Jahrhundert das Virtuosentum ausbreitete (Paganini, Sarasate & Co.). Musiker möchten rasend schnelle Läufe in hohen Lagen und einen springenden Bogen über drei bis vier Saiten (Sautillé) vorführen, all das haben die Cellosuiten von Bach nicht zu bieten. Es wäre mit dem Barockbogen gar nicht gegangen. Doch wer die Suiten für Cello solo von Johann Sebastian Bach ernsthaft übt, wird auch der technischen Schwierigkeit dieser Cellomusik großen Respekt zollen.
Andreas Thiemig, Cellist

Standort: Kaufbeuren (Allgäu) bei München

Tel 0172/ 8224723



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